Martin und Victor in Locomapa nach Mord an Tolupan Anführer © Erika Harzer
Martin und Victor in Locomapa nach Mord an Tolupan Anführer © Erika Harzer

Amnesty Journal - Mai 2020

Ein Gespräch mit dem Rechtsanwalt Victor Fernández

Am 3. März 2016 wurde die honduranische Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres in ihrem Haus ermordet. Als Sprecherin der Indigenenorganisation COPINH hatte sie sich unter anderem gegen ein Staudammprojekt eingesetzt. Ende 2019 wurde das Strafmaß für sieben Personen verkündet, die an dem Mordkomplott beteiligt waren.

Erika Harzer im Gespräch mit dem Rechtsanwalt Victor Fernández, der die Angehörigen und die Organisation COPINH vertritt.

Wie ist derzeit der Stand des Verfahrens im Mordfall Berta ­Cáceres?

45 Monate nach dem Mord an Berta Cáceres sind sieben Personen, die an der Tat beteiligt waren, zu Haftstrafen zwischen 30 und 50 Jahren verurteilt worden. David Castillo, der damalige Geschäftsführer des Konsortiums DESA, das das umstrittene und von Berta Cáceres bekämpfte Staudammprojekt Agua Zarca bauen wollte, ist weiterhin in Untersuchungshaft. Die Auftraggeber des Mordes werden immer noch nicht strafrechtlich verfolgt.

Warum wird gegen die Hintermänner nicht ermittelt?

Als Vertreter der Angehörigen habe ich bei einem Gespräch mit einem der Verurteilten festgestellt, dass unter ihnen nach wie vor ein Korpsgeist herrscht, der Aussagen zu den Auftrag­gebern nicht zulässt. Einige von ihnen erhalten trotz Untersuchungshaft weiter Gehalt von ihren Arbeitgebern. Damit behalten die Hintermänner die Kontrolle über die Täter. Dass bisher keine Strafverfolgung stattfindet, dafür sorgen die honduranische Regierung, die Staatsanwaltschaft, die Justiz und verschiedene Abteilungen des Sicherheitsministeriums. Regierungsvertreter vergaben die Konzession zum Bau des Wasserkraftwerks Agua Zarca widerrechtlich an die DESA. Staatliche Akteure waren daran beteiligt, Berta Cáceres und ihre Organisation COPINH zu verfolgen und zu kriminalisieren. Würden die Hintermänner strafrechtlich verfolgt, könnten damit all die ­Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft bewiesen werden, die zum Ziel haben, die Kommerzialisierung der natürlichen Ressourcen in Honduras und in der Region mit aller Gewalt durchzusetzen.

Was bedeutet dies für die sozialen Bewegungen gegen Landraub und Vertreibung?

Die anhaltende Straffreiheit ist eine Garantie für weitere Verbrechen an Aktivistinnen und Aktivisten, die bereits geschehen sind. Insbesondere diejenigen, die das Modell der Ausbeutung und Plünderung der Ressourcen ablehnen, sind weiterhin struktureller Gewalt ausgesetzt, der Gewalt der Justiz.

Gibt es Fortschritte seit dem Beginn des Prozesses?

Der Schuldspruch gegen die sieben Angeklagten ist ein ­Fortschritt. Das Urteil weist darauf hin, dass die Täter in Abstimmung und mit Zustimmung der Führungskräfte und Eigentümer der Firma DESA gehandelt haben. Urteil und Strafmaß sollen Härte demonstrieren und gleichzeitig der honduranischen Regierung Legitimität verschaffen. Wir können aber nicht sicher sein, dass damit die Straflosigkeit besiegt wurde. Denn nur weil die Betroffenen eine hartnäckige Auseinandersetzung mit der honduranischen Regierung führten und für eine nationale und internationale Öffentlichkeit sorgten, kam die in Honduras vorherrschende Straflosigkeit bei Kapitalverbrechen in diesem Mordfall nicht zum Tragen.

Werden ausländische Konzerne und Finanzgeber zur Verantwortung gezogen?

Für uns und COPINH ist weiterhin wichtig, die Firma DESA und die anderen, die das kriminelle Projekt Agua Zarca unterstützt haben, vor Gericht zu bringen. Wir sehen die Klagen gegen die beteiligten internationalen Banken, die dieses Projekt unterstützt haben, obwohl sie den illegalen und sogar kriminellen Hintergrund kannten, als wichtigen Präzedenzfall an.

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