Bertita telefoniert vor dem Plakat ihrer ermordeten Mutter Berta © Erika Harzer
Bertita telefoniert vor dem Plakat ihrer ermordeten Mutter Berta © Erika Harzer

Amnesty Journal - Februar 2019

Ihre Mutter wurde wegen ihres Engagements umgebracht. Nun führt Bertha Zúñiga Cáceres den Kampf um Landrechte in Honduras weiter.

Bertha Zúñiga Cáceres erinnert sich noch genau: Vier Männer waren es, die sie und ihr Team in ihrem Auto bedrohten, mit Macheten fuchtelten und Steine warfen. Im Frühjahr 2017 war das – und die junge Frau war erst wenige Wochen im Amt. "Fast hätte uns ihr Auto einen Abhang hinunter gedrängt, wir überlebten nur mit viel Glück", sagt Zúñiga, die seit bald zwei Jahren als Generalkoordinatorin an der Spitze des Rats der indigenen Völker von Honduras (COPINH) steht.

 

Ein gefährlicher Job, der ihrer Mutter zum Verhängnis wurde: Im März 2016 wurde Bertha Cáceres ermordet. Im November sprach ein Gericht in Tegucigalpa sieben Männer schuldig, darunter einen Mitarbeiter der Firma, die das umstrittene Wasserkraftwerk Agua Zarca baute, gegen das Cáceres gekämpft hatte.

Lange überlegt hat Zúñiga dennoch nicht, als es darum ging, Chefin der Organisation zu werden, die ihre Mutter und ihr ­Vater Salvador Zúñiga 1993 gründeten. Drei Jahre alt war sie ­damals, und auch heute nennen sie alle nur Bertita, die kleine Berta. Als ihre Mutter im März 2016 von Auftragskillern erschossen wurde, studierte sie gerade im zweiten Semester Lateinamerikawissenschaften in Mexiko-Stadt.

Von La Esperanza aus, einem Bergstädtchen unweit der ­salvadorianischen Grenze, führt Bertha Zúñiga nun die Arbeit ihrer Mutter fort. Sie kämpft für Demokratie, Frauenrechte und die indigenen Gemeinden, die immer wieder ihres Landes beraubt werden. Hochschulabschluss? Kann warten. Das Leben fordert gerade anderes von ihr. So sieht sie das. Im April 2017 wurde sie mit 26 Jahren zur COPINH-Chefin gewählt. Überfordert fühle sie sich davon "keineswegs", sagt sie lachend.

"Ich bewege mich nicht in den Fußstapfen meiner Mutter, aber unser Kampf ist der gleiche", betont Bertha Zúñiga. Auch deshalb will sie verhindern, dass der Mord auf die übliche ­honduranische Art verhandelt wird: Bauernopfer ja, aber die Hintermänner bleiben unangetastet. Mehr als 120 Umwelt­schützer sind zwischen 2010 und 2017 in Honduras getötet ­worden.

Auch deshalb wirbt Bertha Zúñiga weltweit um Aufmerksamkeit. In mehreren europäischen Staaten prüfte sie, ob ­Kreditgeber des Wasserprojekts vor Gericht belangt werden ­können: Warum machten sie bei Agua Zarca mit, obwohl sie wussten, dass die Lizenzvergaben illegal waren? Im Sommer 2018 reichte zudem eine niederländische Anwaltskanzlei Klage gegen die Entwicklungsbank FMO ein. Fahrlässigkeit ist der ­Vorwurf. Die Bank habe gewusst, dass Menschenrechte verletzt werden und dennoch an dem Projekt festgehalten. Auch im ­Visier von COPINH: ein deutsches Konsortium, das die Turbinen für das inzwischen gestoppte Projekt liefern wollte.

Doch auch Aufklärung über die allgemeine politische Lage in ihrem Heimatland steht bei diesen Auslandsreisen auf dem Programm. Dort regiert seit November 2017 der Konservative Juan Orlando Hernández, dem Amnesty International vorwirft, nach der von Betrugsvorwürfen begleiteten Wahl Proteste gewaltsam niedergeschlagen zu haben.

Auftritte auf großer Bühne und Hintergrundgespräche mit Diplomaten gehören nun zu ihrem festen Programm. Und natürlich macht sie das ganze Jahr über Lobbyarbeit, knüpft Kontakte zu NGOs und Anwälten, die den Rat der indigenen Völker COPINH unterstützen könnten. Auf den ersten Blick wirkt die 28-Jährige wie ein Teenager: klein, dünn und beinahe zerbrechlich. Doch wer genauer hinschaut, sieht eine gestandene Politikerin.

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